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Ulan-Ude und Allá

Weitere Fotos zu diesem Teil gibt es in der Fotogalerie.

16.8.2005

Die Zugbegleiterin weckt mich und meine Abteilkollegen – zwei Handwerker aus Irkutsk – eine Stunde vor Ankunft. Draußen ist es noch dunkel. Die Landschaft, die vorbeizieht wirkt fremd, die Hügelformen.

Bei der Einfahrt in den Bahnhof sehe ich schon das Mädchen in roten Trainingshosen mit dem großen Schild und denke mir: "Die holt mich ab". So ist es dann auch. Es ist Zhanna, die mich und die beiden Amerikaner Jon und Abe abholt. Sie selber ist einen Zug früher gekommen. Es ist relativ frisch und wir warten fast eine Stunde bis Misha kommt und uns zum Treffpunkt begleitet. Wir steigen in eine Marschrutka. Eine Marschrutka ist ein sehr wichtiger Teil des öffentlichen Personenverkehrs in Russland. Zum Einsatz kommen sogenannte Mikrobusse, also meist Busse mit bis zu 14 Plätzen, die eine bestimmte Marschroute, daher der Name, abfahren. In den meisten Städten halten die Marschrutkas auf Anfrage, also dort wo man es braucht. Wir steigen also in eine Marschrutka, die sich nach uns sofort zum Brechen füllt und fahren auf den Platz der Sowjets, wo der Welt größte Leninkopf steht.

Dort warten wir auf die anderen unserer Truppe. Die kommen der Reihe nach. Insgesamt sind wir dann 14 Leute. Unsere Rucksäcke werden auf das Dach des Kleinbusses gepackt. Wir ebenso eng hinein. Dann geht es los. Ewig lange, ohne Ende. Ohne Rücksicht auf das Sitzfleisch. Irgendwann Mittagspause. Irgendwann Überquerung des Баргузин, nachdem wir underen Platz im Bus noch weiter durch Werkzeug und weitere Zelte eingeschränkt haben.

Während der Fahrt machen wir Kennenlernspiele und bekommen von unserem Brigadir Anja alles erklärt. Zhanna, die mich am Bahnhof abgeholt hat, ist unser Dolmetscher. In der Tat ist es aber so, dass bis auf drei alle zumindest Radebrechen können. Unsere Marschrutka Unsere Marschrutka, mit der wir neun Stunden unterwegs waren

Das Mittagessen nehmen wir in einer Poznaja an der Straße ein, dort gibt es das burjatische Nationalgericht Pozy (Позы). Das sind Fleischtaschen, wie Pelmeni, nur sind sie größer, oben haben sie ein kleines Loch und sie werden nicht gekocht, sondern in einem speziellen Topf der Poznica im Wasserdampf zubereitet. Wird traditionellerweise mit den Fingern gegessen, was einige Übung braucht, um nicht alles auf den Klamotten zu haben, denn im Teig ist nicht nur Fleisch, sondern auch Fleischsaft. Und der ist heiß und flüssig.

Den Barguzin (Баргузин) – ein Zufluss in den Baikalsee – überqueren wir auf einem Schleppfloß, das von einem kleinen Schleppkahn sehr geschickt über den Fluß gezogen wird und dann mit einem leichten, gut berechneten Ruck am anderen Ufer aufschlägt, voll beladen mit Autos und Lastwägen. Gastfreundliche Mutter Burjatien Gastfreundliche Mutter Burjatien auf einer Hauswand in Kurumkan

Die Straße, auf der wir fahren ist zum Großteil eine einfache Sandpiste, an einigen Stellen sogar asphaltiert. Insgesamt fahren wir etwa neun Stunden durch Kiefern- und Birkenwälder bis Kurumkan (Курумкан). Kurumkan ist Bezirkshauptstadt, wir merken nicht viel davon. Sandwege, Hütten, ein paar Läden. Wir werden verköstigt und satteln auf andere Busse um. Das Gepäck fährt mit einem Geländewagen und wir in einem knallgelben Kleinbus, wir sind nun noch zwei mehr geworden. Tanja und Vera sind in Kurumkan zu uns gekommen.

So geht es noch mal anderthalb Stunden auf schnurgerader Strecke bis zum Dorf Allá. Wir unterbrechen die Fahr nur einmal, um dem Gotte Burhan zu opfern. Doch dazu später.

In Alla werden wir im Kinderlager des ewenkischen Kulturzentrums "JuKTE" einquartiert. Geschlechtertrennung.

17. 8. – 20. 8. 2005

Morgens muss ich mit Martina vor allen anderen aufstehen und Frühstück richten. Feuer machen in der Küche, Kascha kochen. Kascha ist jede Art von Grütze oder Brei. Und da gibt es durchaus Unterschiede in Geschmack und Qualität. Reisbrei ist eigentlich ganz passabel, Haferschleim auch, wenn nicht die Unmengen an Spelzen wären. Für mich immer grenzwertig ist Buchweizenkascha und ganz schlimm die sogenannte Perlovka (Перловка), was sich laut Wörterbuch mit Graupen übersetzen lässt. Die morgentliche Kascha wird meist süß genossen und zu diesem Zwecke mit allerlei Zutaten versehen, ganz vorne dabei sind Kondensmilch und karamellisierte Kondensmilch. Neben einigen Suppen mit Fleisch oder Fisch ist Kascha unsere Hauptnahrung. Zu jeder Mahlzeit gibt es wie in Russland üblich Brot.

Nach dem Frühstück gibt es eine ausführlich Arbeitsbesprechung und eine Führung durch das eher spärlich ausgestattete Museum des evenkischen Kulturzentrums. Der See Alla Der See Alla Danach werden wir von einem schweigsamen, burjatischen Миша (Michael) eine gute halbe Stunde den "knappen Kilometer" zum Arbeitsplatz geführt. Hinter einer Sumpfzone liegt ein wunderschöner See in der Sonne mit einem Strand aus großen Kullersteinen. Wir sollen einen Pfad für die Kinder bauen, die hier zum Lernen vorbeikommen. Wir schleppen Steine und pflastern damit Sumpflöcher aus, während sich eine Horde von Mücken vor allem an meinem Blut gütlich tut.

In den nächsten Tagen arbeiten wir an einer Art Naturlehrpfad für die Kinder, die ins evenkische Kulturzentrum kommen, um ihre Kultur kennenzulernen. Der Weg, oder das Teilstück, das wir in Angriff nehmen, führt durch einen leicht morastigen Wald zum Ufer des Sees Allá. Hier heißt alles Allá. Das Dorf, der See der Fluss. Das Wort bedeutet 'Fisch' in der Sprache der Evenken.

Wir bauen nicht nur den Weg, sondern gestalten auch eine Feuerstelle für die Fischer neu, bauen Bänke und eine Art Mülleimer. Auf dem Weg zum Malygin-See Auf dem Weg zum Malygin-See. Blick aus dem Heckfenster des Kastenwagens

Eine weitere Aktion führen wir am 6 km entfernten Malygin-See durch. Dort sammeln wir ein wenig Müll und helfen, einen Knüppelsteg fertig zu bauen. Der durch mein schlechtes Gedächtnis mittlerweile leider namenlose Burjate, der uns anleitet (genauso stumm wie der andere), hat schon im Winter die senkrechten Pfähle durch Löcher im Eis eingerammt. Nun legt er Quer- und darüber Längsbalken, die wir im Wald schlagen, darauf. Er selber bewegt sich im traditionellen evenkischen Wasserschuhboot, eine Art Katamaran zum drinnen stehen, das mit einer Stake bewegt wird. Evenkisches Stehkatamran Traditionelles evenkisches Stehkatamran Anja auf unserem Knüppelsteg Der Knüppelsteg

Unerwarteter Weise ist noch ein Teilnehmer angekommen: Ossi. Ein Rübezahl an Statur.